Wir haben uns seit der Gründung von Refugio im Jahr 1989 mit vier großen Themen beschäftigt: Flucht, Folter, Trauma und Gesundheitsversorgung für nach Bremen geflüchtete Menschen.

Seit dem Beginn unserer Aktivitäten haben sich die Rahmenbedingungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht enorm verändert. Die größte Problematik jedoch, dass Asylsuchende in der Anhörung die Glaubwürdigkeit ihrer Asylgründe untermauern müssen, ist dieselbe geblieben. Zumeist müssen sie das Erlebte konkret, detailreich, ohne Lücken und im richtigen raumzeitlichen Kontext schildern – mitsamt den Gefühlen, Sorgen und Ängsten. Das heißt, sie müssen über genau die Erfahrungen sprechen, die sie am liebsten für immer vergessen würden. Dies verläuft vielfach ohne systematische oder ausreichende Vorbereitung dieser Anhörung. Hinzu kommt, dass die Identifizierung besonders Schutzbedürftiger (Früherkennung) behördlicherseits noch lückenhaft ist und so die durch die EU-Aufnahmerichtlinie gewährten Schutzmechanismen nicht in Anspruch genommen werden können.
Schließlich war und bleibt Geflüchteten der Zugang zum Regelsystem nur eingeschränkt möglich, da niedergelassene Psychotherapeut:innen ihre Behandlungen in den ersten drei Jahren nicht abrechnen können. Grundlage dafür ist das Asylbewerberleistungsgesetz.

Asyl ist ein Menschenrecht

In den 1980er Jahren gingen Expert:innen bei den spezifischen Erkrankungen noch von einer Art „Flüchtlingsdepression“ aus – anders konnten ließen sich die Alpträume, die Angst, die Ohnmachtsanfälle scheinbar nicht erklären. Das Konzept der „Traumatisierung“ entwickelte sich in der westeuropäischen Fachwelt basierend auf Impulsen von Expert:innen aus Lateinamerika, von amnesty international in Kopenhagen und aus der Literatur über Spätfolgen des Holocaust. Hinzu kamen Erkenntnisse der Frauenbewegung, die in den 1980er Jahren zum Thema seelische Folgen von sexuellen Gewalterfahrungen Pionierarbeit auch in der BRD leistete. Vor diesem Hintergrund hat sich Refugio für die Einrichtung eines Beratungs- und Behandlungszentrums entschieden.

Neben den Einschränkungen im sozialen Leben stellt die unsichere Aufenthaltssituation in Deutschland bzw. die drohende Gefahr der Abschiebung nach wie vor die stärkste Belastung für Geflüchtete dar. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Geflüchtete noch auf eine Anerkennung warten oder einen ablehnenden Bescheid erhalten haben und gerichtliche Schritte erfolglos blieben. Insbesondere seit 1993 als eine Grundgesetzänderung (§16) das Asylrecht maßgeblich einschränkte. Gefolgt von der Einführung sogenannter sicherer Herkunftsländer und den 2019 beschlossenen Migrationspaketen, die mehr Abschiebungen ermöglichten. Das heißt für Asylsuchende und Geflüchtete, dass die belastende Situation der Ungewissheit und Bedrohung eben nicht – wie erhofft – ein Ende hat. Abschiebung bedeutet ja die erzwungene Rückkehr in eben die Verhältnisse, unter denen das Trauma entstanden ist.

Im Jahr 2018 zeigt eine Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), dass mehr als drei Viertel aller Geflüchteten (in Deutschland) aus den Herkunftsländern Syrien, Irak und Afghanistan unterschiedliche Formen von Gewalt erlebt haben und dadurch oft mehrfach traumatisiert sind. In der Befragung gaben 74,7 Prozent der Schutzsuchenden an, Gewalt in unterschiedlichen Formen persönlich erlebt zu haben. 60 Prozent der Befragten, die Angaben zu traumatischen Ereignissen gemacht haben, nannten Kriegserlebnisse, 40 Prozent Angriffe durch Militär oder Bewaffnete. Nur weniger als ein Viertel (22,5 Prozent) der Befragten hat keine dieser traumatischen Erfahrungen selbst erlebt.

Heute ist die Erkenntnislage dank der Forschung umfangreicher und die öffentliche und fachliche Akzeptanz größer geworden. Einher ging die Professionalisierung der Fachkräfte in der Gesundheitsversorgung und den mittlerweile über 45 Psychosozialen Behandlungszentren bundesweit. Diese sind im Dachverband BAfF e.V. organisiert (www.baff-zentren.org). Bei Refugio, Gründungsmitglied der BAfF, werden zur Zeit insgesamt etwa 500 Menschen pro Jahr aus über 30 Ländern begleitet, betreut und versorgt.
Insgesamt konnten die Psychosozialen Zentren für Geflüchtete (PSZ) im Jahr 2023 lediglich 25.000 Klient:innen und damit nur 3,1 % des potenziellen Versorgungsbedarfs decken. Der ungedeckte Bedarf steigt kontinuierlich, während auf Bundes- und Landesebene Haushaltskürzungen geplant werden.